DIE NACHT VON Dienstag, 8. März 2005
Gestern. Heute. Morgen. Fließender Übergang.
unreal, 23:03h
Bin nach der Arbeit noch ins Filmforum gefahren und
habe mir dort den Film "The Machinist" angesehen.
Der Film ist unglaublich gut gemacht, in der heutigen
Mainstream-Zeit schon fast das, was man einen
Anachronismus nennen müsste.
In ruhigen, manchmal verschwommenen und
größtenteils monochrom wirkenden Bildern wird die
Geschichte von Trevor erzählt, der an
Schalfstörungen und - so scheint es -
Realitätsverlusten leidet.
Die am Anfang des Filmes auf einem Post-it gestellte
Frage "Who are you" zieht sich bis zum Ende
hindurch und wird zwischendurch auch eine Frage,
die sich der Betrachter des Filmes stellen sollte.
Who are you?
In einer Zeit, in der wir als einzelne Menschen immer
nur dann betrachtet werden, wenn es um Data-
Mining und Überwachung geht, wird die Frage
interessanter denn je. Abgesehen von der Industrie,
die genau wissen will, was meine Konsumbedürfnisse
sind und abgesehen vom Staat, der genau wissen
will, wie sehr ich ein potentielles Risiko für die
Sicherheit bin. Abgesehen von diesen beiden großen
Blöcken interessiert sich eigentlich niemand wirklich
für die Frage, wer ich bin. Wer Du bist.
Um so Individueller unsere Welt wird, um so mehr
versinken wir im Einheitsbrei. So wie das
immergleiche Gedudele der Handyklingeltöne, die
dank Individualisierungsgimmicks besser denn je zu
uns - und nur zu uns - passen und dabei dann genau
so blöde klingeln wie die Telefone Millionen anderer
Deppen auch.
Konsum? Ich kaufe Dinge, die ich weder will noch
brauche. Sicherheit? Kann man am besten erklären,
wenn man die Vorstellung projeziert, dass es bei
den "Volksvertretern" tatsächlich nicht um Menschen
geht, denen "unser" Wohl im Vordergrund steht -
sondern der persönliche Machterhalt. Also ihre
Sicherheit.
Beide "Gruppen" haben kein Interesse an "mündigen"
Bürgern, die ihren Kopf einsetzen können. Wir haben
nach ihrer Definition zu leben: Geburt, Schule,
Arbeit, Tod. Dazwischen je nach Gusto schafköpfiger
Konsument oder braver Bürger. Am liebsten beides.
Jeder Versuch, Dein Leben individuell zu gestalten,
Dich davon zu lösen, setzt Dich dem Risiko aus, als
Terrorist, als Gefahr für die Allgemeinheit betrachtet
zu werden. Isoliert zu werden, damit sich der
gefährliche Individualismus (der Echte!) nicht weiter
ausbreiten kann...
Zurück zu der Frage, wer Du bist. Wer bist Du? Setz
Dich hin und versuche, die Frage zu beantworten.
Wer bist Du, wenn Du nicht Kollege, Familienmitglied,
Religionsgruppenangehöriger oder sonst wer bist?
Wenn Du nur Du bist.
Das überaus gemeine an der Frage des Filmes ist ihre
Mehrdeutigkeit: das englische You drückt singular
und plural aus. Im Film wird das deutlich durch die
Ebenen, auf denen sich Trevor jeweils befindet,
bevor er auf die eine Ebene, in der die Zeit nur in
eine Richtung läuft, zurückfällt.
Und in der Wirklichkeit?
Betrachtet an mir, so bin ich Viele und seltenst nur
Einer. Geht es Dir da anders? Du bist Kollege,
Lebenspartner, Kind und Eltern. Halt nur nie Du
alleine.
Und so wandelt sich die Frage "Who are you" in
ein "Who am I" und die letztlich zu der alles
entscheidenden Frage:
"Am I?"
Ich muss los. Es ist noch was zu tun.
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