DIE NACHT VON Mittwoch, 9. März 2005
Türsteher
modeste, 01:24h
„Wenn da so ein Gorilla steht, habe ich schon keine Lust mehr auf den Laden.“, sagt er, und ich überlege kurz, wo der gute Junge dann eigentlich ausgeht. „Darf ich mal – ja – es geht schon.“, tönt es hinter mir, wo gerade ganz Berlin versucht, beim selben Japaner Sushi zu essen. Ich rühre in meiner Reisschüssel und höre mir die Türsteheranekdoten an, die in einer Stadt, in der die meisten Türsteher Staffage sind, weil ein Club nun einmal einen Türsteher braucht, nur erfunden sein können. Die paar unerfundenen Stories kenne ich schon. Die gute Bekannte, die der Türsteher eines bekannten Clubs in Mitte einmal abgewiesen hat wegen Übergewicht, hat verständlicherweise nicht nur mir ihr Leid geklagt. Auch der Bruder meines Begleiters hat echte Probleme im Nachtleben, weil der Bekleidungskodex in einem der Mathematik gewidmeten Institut doch ein anderer ist als der, der vor unakademischen Türstehern Bestand hat, und der Bruder offenbar nur eine Kluft besitzt.
„Eigentlich sollten Türsteher doch bloß eine Sortierungsfunktion haben, wenn überhaupt.“, meine ich. „Wieso können die nicht einfach jeden reinlassen?“, fragt mein Begleiter. Ich weise auf die begrenzte Platzkapazität der Räumlichkeiten hin, und auf die Tatsache, dass man mit BMW-fahrenden Bankangestellten und ihren Tussis so schrecklich ungern feiert. Ich gehe ja auch nicht ins Felix. Und dass die Brandenburger Dorfjugend einen immer wieder mit der schmerzlichen Tatsache konfrontiert, dass diese Stadt ein Ort ohne erträgliches Umland ist, in deren Marktflecken sich seit Jahrhunderten das selbe Genmaterial mit sehr mäßigem Erfolg reproduziert.
„Hattest du mit Türstehern schon mal Probleme?“, frage ich. „Nein.“, sagt mein Begleiter. Oder ja. Doch. Allerdings mehr privat.
In seiner früheren Jugend hat mein Begleiter einmal eine Freundin besessen, deren Neigung zu schwer bemuskelten Männern mit meinem Begleiter auch in seiner Blütezeit nur wenig vereinbar war. Er liebte sie von Herzen, sie liebte ihn bis auf die Sache mit den Muskeln, und schließlich zogen erste Wölkchen auf am klaren Blau der Liebe. Sie müsse mehr alleine sein, sagte die Freundin. Der Begleiter akzeptierte, sah die Freundin nur noch seltener, und vor allem übernachtete er nicht mehr bei ihr, denn dies hätte mehr Nähe bedeutet, als sie ertragen hätte, bedeutete sie ihm. Er kam also zur Freundin, man verbrachte einige Stunden miteinander und schließlich, zwischen vier und fünf am Morgen, scheuchte sie ihn davon, um alleine zu sein.
Mit dem Alleinsein war es aber so eine Sache, die sich schließlich auch bis zu ihm herumsprach. Sie teile, so wurde ihm zugetragen, ihre kontemplative Einsamkeit offenbar mit einem Mann, einem Mann mit sehr vielen Muskeln, der Türsteher eines damals sehr angesagten Clubs in der Stadt war, aus der mein Begleiter stammt. Mein Begleiter hatte damals offenbar noch nicht viel Erfahrung mit Frauen und noch weniger mit Muskeln. Eines Nachts kam er also wieder zurück zur Freundin, und siehe da: Sie war tatsächlich nicht allein.
„Und dann?“ frage ich ihn. „Naja, ich habe tierisch eingesteckt und war nie wieder in dem Laden.“, er zuckt mit den Schultern. „Wie dem auch sei – ich halte nichts von Türstehern.“
Und wir essen weiter.
„Eigentlich sollten Türsteher doch bloß eine Sortierungsfunktion haben, wenn überhaupt.“, meine ich. „Wieso können die nicht einfach jeden reinlassen?“, fragt mein Begleiter. Ich weise auf die begrenzte Platzkapazität der Räumlichkeiten hin, und auf die Tatsache, dass man mit BMW-fahrenden Bankangestellten und ihren Tussis so schrecklich ungern feiert. Ich gehe ja auch nicht ins Felix. Und dass die Brandenburger Dorfjugend einen immer wieder mit der schmerzlichen Tatsache konfrontiert, dass diese Stadt ein Ort ohne erträgliches Umland ist, in deren Marktflecken sich seit Jahrhunderten das selbe Genmaterial mit sehr mäßigem Erfolg reproduziert.
„Hattest du mit Türstehern schon mal Probleme?“, frage ich. „Nein.“, sagt mein Begleiter. Oder ja. Doch. Allerdings mehr privat.
In seiner früheren Jugend hat mein Begleiter einmal eine Freundin besessen, deren Neigung zu schwer bemuskelten Männern mit meinem Begleiter auch in seiner Blütezeit nur wenig vereinbar war. Er liebte sie von Herzen, sie liebte ihn bis auf die Sache mit den Muskeln, und schließlich zogen erste Wölkchen auf am klaren Blau der Liebe. Sie müsse mehr alleine sein, sagte die Freundin. Der Begleiter akzeptierte, sah die Freundin nur noch seltener, und vor allem übernachtete er nicht mehr bei ihr, denn dies hätte mehr Nähe bedeutet, als sie ertragen hätte, bedeutete sie ihm. Er kam also zur Freundin, man verbrachte einige Stunden miteinander und schließlich, zwischen vier und fünf am Morgen, scheuchte sie ihn davon, um alleine zu sein.
Mit dem Alleinsein war es aber so eine Sache, die sich schließlich auch bis zu ihm herumsprach. Sie teile, so wurde ihm zugetragen, ihre kontemplative Einsamkeit offenbar mit einem Mann, einem Mann mit sehr vielen Muskeln, der Türsteher eines damals sehr angesagten Clubs in der Stadt war, aus der mein Begleiter stammt. Mein Begleiter hatte damals offenbar noch nicht viel Erfahrung mit Frauen und noch weniger mit Muskeln. Eines Nachts kam er also wieder zurück zur Freundin, und siehe da: Sie war tatsächlich nicht allein.
„Und dann?“ frage ich ihn. „Naja, ich habe tierisch eingesteckt und war nie wieder in dem Laden.“, er zuckt mit den Schultern. „Wie dem auch sei – ich halte nichts von Türstehern.“
Und wir essen weiter.
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girl,
Mittwoch, 9. März 2005, 01:30
kann man eine freundin "besitzen"? und nein, ins "felix" geht man tatsächlich nicht...
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modeste,
Mittwoch, 9. März 2005, 01:34
Ich kenne reihenweise Leute, die eine Freundin "besitzen". Derartige Besitzergreifungsversuche wären bei mir wohl eher so von Anfang an zum Scheitern verurteilt, aber es ist, glaube ich, ein beliebtes Beziehungskonzept.
Wer freiwllig ins Felix geht, hat es natürlich auch nicht anders verdient. Übrigens möchte ich wetten, dass dieser neue Laden, der Nähe Wittenbergplatz aufmachen soll, ähnlich endet. Berlinuntaugliches Konzept, sowas.
Wer freiwllig ins Felix geht, hat es natürlich auch nicht anders verdient. Übrigens möchte ich wetten, dass dieser neue Laden, der Nähe Wittenbergplatz aufmachen soll, ähnlich endet. Berlinuntaugliches Konzept, sowas.
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girl,
Mittwoch, 9. März 2005, 01:44
upps, wittenbergplatz? einzelheiten zufällig zur hand? (wobei ich city west - westlich von xberg - auch für gewagt halte)
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modeste,
Mittwoch, 9. März 2005, 01:50
Goya, dieses Projekt, für das irgendwelche Leute Beteiligungen zeichnen sollen eben. In dem alten Piscatortheater. Ich frage mich übrigens immer, ob der freie Eintritt für den Schuppen für die Aktionäre nicht ein Fall der verdeckten Gewinnausschüttung darstellt. - Dass weiter westlich von Tiergarten schwierig wird, denke ich aber auch, unabhängig vom Einzelfall. Da ist halt sonst nichts.
www.goya-berlin.de
www.goya-berlin.de
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girl,
Mittwoch, 9. März 2005, 01:55
harrr, die sache mit der verdeckten gewinnausschüttung ist interessant! fast so wie beim berliner zoo, wo ebenfalls die glücklichen inhaber freien eintritt "geniessen". schätze, dass läuft unter bagatelle, weil sonst jede gratifikation, wie zb belegte brötchen bei einer hv, darunter fallen würden...
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modeste,
Mittwoch, 9. März 2005, 01:59
Da bin ich mir eben nicht so sicher. Besteht der eigentliche Zweck der Beteiligung nicht in der Gewinnerzielung per Ausschüttung oder Veräußerung, sondern ist der Zugang zum Club selber der eigentliche und hauptsächliche Zweck, so müsste man da mal drüber nachdenken. Ich weiß aber eigentlich nichts über das Konzept, man müsste sich das mal genauer anschauen. (Man, nicht ich)
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girl,
Mittwoch, 9. März 2005, 02:07
lustig, sicher bin ich mir auch gerade nicht. zur not lösen wir es halt über das informationsrecht des aktionärs hinsichtlich seiner beteiligung ("hmm, muß mal unbedingt am samstag abend gucken, ob da alles noch in ordnung ist...lasst mich durch!). das ganze jahr, statt eines tages, ist eben hv.. ;o)
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girl,
Mittwoch, 9. März 2005, 02:22
also der prospekt erinnert an vergangene zeiten... grad mal reingeschaut. sehr gewagt!
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girl,
Mittwoch, 9. März 2005, 02:26
Ziff. 7.2. (letzter absatz) des prospekts spricht die problematik an...
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modeste,
Mittwoch, 9. März 2005, 10:22
Mit dem Prospekt kann sich jedermann eine lustige halbe Stunde machen. Da versteht man offenbar weder etwas von der ordnungsgemäßen Erstellung von Prospekten noch vom Nachtleben. Aber wo auch lernen - denn Berlin soll einen wahrhaften Hauptstatdtclub ja erst bekommen (S. 2). - Und Ziff. 7,2 ist natürlich ein Witz. Die Details einer solchen Pauschalabgeltung nicht durch den Steuerschuldner sondern durch die Einnahmequelle werfen auf jeden Fall interessante Fragen auf. Ich will gar nicht bestreiten, dass das irgendwie möglich ist, könnte mir aber vorstellen, dass schon im Regelfall Aufwand und Ertrag hier außerhalb jeden Verhältnisses stehen.
Die GanzejahresHV ist sicherlich eine ganz schöne Idee - aber auch da bleiben eine Menge Fragen offen, die in erster Linie den ja nicht undefinierten Hauptversammlungsbegriff betreffen. Aber was soll´s - ist ja nicht mein Problem.
Die GanzejahresHV ist sicherlich eine ganz schöne Idee - aber auch da bleiben eine Menge Fragen offen, die in erster Linie den ja nicht undefinierten Hauptversammlungsbegriff betreffen. Aber was soll´s - ist ja nicht mein Problem.
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gracian,
Mittwoch, 9. März 2005, 01:44
touché
"...dass diese Stadt ein Ort ohne erträgliches Umland ist, in deren Marktflecken sich seit Jahrhunderten das selbe Genmaterial mit sehr mäßigem Erfolg reproduziert."
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gibsmir,
Mittwoch, 9. März 2005, 08:37
„Wenn da so ein Gorilla steht, habe ich schon keine Lust mehr auf den Laden.“
Der Mann hat recht. So eine Bande (hier treten die immer in Rudeln auf) ist für mich das klare Signal, daß mein Geld dort nicht gewünscht ist. Ich habe einfach keine Lust mich in meinem Alter in meiner Freizeit einer Bewertung durch solche Jungspunde unterziehen zu müssen, bevor mir erlaubt wird, mein Geld in dem Laden zu lassen. Leistungsgesellschaft habe ich schon den ganzen Tag, das brauche ich nicht in meiner Freizeit.
Dabei ist es nicht grundsätzlich die Anwesenheit von Türstehern, sondern die Art und Weise wie sich die Damen (ja, es gibt ein paar wenige) und Herren aufführen. Endlich haben sie mal einen kleinen Zipfel Macht, und das wird hemmungslos ausgelebt. Wenn ich schon an die Sprüche denke "Heute nur mit Clubkarte" (ha, ha, ha, das war schon zu meiner Schulzeit gelogen) oder in Türksprech "Geht nicht, wir haben Konzept". Warum dürfen mich die Gorillas eigentlich duzen? Warum muß ich ihnen dann symbolich den Arsch lecken? Nee, dann lieber nicht.
Ich könnte jetzt Beispiele aus anderen Ländern bringen. Da, wo Türsteher einem höflich die Tür aufhalten, willkommen heißen, selbstverständlich kompetent über den Gast-DJ des Abends informieren und auf die ruhige Lounge im Keller hinweisen wenn sie mein Alter bemerken. Da, wo es keine abcheckenden Blicke auf die Klamotten gibt und wo wir beim Verlassen des Ladens selbstverständlich angeboten wird mir ein Taxi zu rufen, mir noch ein schöner restlicher Abend/neuer Tag gewünscht wird und man mich bittet, den Laden wieder zu beehren.
Der Mann hat recht. So eine Bande (hier treten die immer in Rudeln auf) ist für mich das klare Signal, daß mein Geld dort nicht gewünscht ist. Ich habe einfach keine Lust mich in meinem Alter in meiner Freizeit einer Bewertung durch solche Jungspunde unterziehen zu müssen, bevor mir erlaubt wird, mein Geld in dem Laden zu lassen. Leistungsgesellschaft habe ich schon den ganzen Tag, das brauche ich nicht in meiner Freizeit.
Dabei ist es nicht grundsätzlich die Anwesenheit von Türstehern, sondern die Art und Weise wie sich die Damen (ja, es gibt ein paar wenige) und Herren aufführen. Endlich haben sie mal einen kleinen Zipfel Macht, und das wird hemmungslos ausgelebt. Wenn ich schon an die Sprüche denke "Heute nur mit Clubkarte" (ha, ha, ha, das war schon zu meiner Schulzeit gelogen) oder in Türksprech "Geht nicht, wir haben Konzept". Warum dürfen mich die Gorillas eigentlich duzen? Warum muß ich ihnen dann symbolich den Arsch lecken? Nee, dann lieber nicht.
Ich könnte jetzt Beispiele aus anderen Ländern bringen. Da, wo Türsteher einem höflich die Tür aufhalten, willkommen heißen, selbstverständlich kompetent über den Gast-DJ des Abends informieren und auf die ruhige Lounge im Keller hinweisen wenn sie mein Alter bemerken. Da, wo es keine abcheckenden Blicke auf die Klamotten gibt und wo wir beim Verlassen des Ladens selbstverständlich angeboten wird mir ein Taxi zu rufen, mir noch ein schöner restlicher Abend/neuer Tag gewünscht wird und man mich bittet, den Laden wieder zu beehren.
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strappato,
Mittwoch, 9. März 2005, 14:14
Ich denke, die Funktion eines Türstehers ist hier nicht ganz klar.
Ein Türsteher wird eigentlich nicht gebraucht. Die normale soziale Selektion - unterstützt mit der Preisgestaltung - funktioniert wunderbar. Ausnahmen wie hypes mal abgesehen. Türsteher sind wichtig, damit der Besitzer nicht Opfer kleinkrimineller Schutzgeldbanden wird. Also nimmt man sich die in diesem Viertel dominierende Bande, setzt einen vorne hin und zahlt ihm überhöhte Honorare, dann hat man Ruhe vor Schutzgelderpressern, Drogendealern und anderen kriminellen Gesindel. In Berlin gibt es "Security"-Unternehmen, die auch in der Türsteher-Branche aktiv sind. Die kennen die Szene in und auswendig und verschaffen sich Respekt. Familienzugehörigkeiten können da beipielsweise sehr nützlich sein.
Ein Türsteher wird eigentlich nicht gebraucht. Die normale soziale Selektion - unterstützt mit der Preisgestaltung - funktioniert wunderbar. Ausnahmen wie hypes mal abgesehen. Türsteher sind wichtig, damit der Besitzer nicht Opfer kleinkrimineller Schutzgeldbanden wird. Also nimmt man sich die in diesem Viertel dominierende Bande, setzt einen vorne hin und zahlt ihm überhöhte Honorare, dann hat man Ruhe vor Schutzgelderpressern, Drogendealern und anderen kriminellen Gesindel. In Berlin gibt es "Security"-Unternehmen, die auch in der Türsteher-Branche aktiv sind. Die kennen die Szene in und auswendig und verschaffen sich Respekt. Familienzugehörigkeiten können da beipielsweise sehr nützlich sein.
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